50 Jahre China-EU-Beziehungen: Fünf europäische Stimmen zum Jubiläum (Teil 1)

Das Jahr 2025 markiert ein bedeutendes Jubiläum: Seit 50 Jahren bestehen diplomatische Beziehungen zwischen China und der Europäischen Union. Diese Zeit war geprägt von wachsendem Handel, politischem Dialog und kulturellem Austausch. Trotz der gegenwärtigen geopolitischen Spannungen bleibt die Partnerschaft von essenzieller Bedeutung für beide Seiten. Hier soll es aber heute nicht um die große Politik gehen, sondern um die ganz persönlichen Erfahrungen dreier Europäer in China.

Melina Weber – Als deutsche Influencerin in China

Die junge deutsche Influencerin und Unternehmerin Melina Weber lernte als 17-Jährige das erste Mal „authentisches chinesisches Essen“ und das chinesische Frühlingsfest in einer malaysischen Gastfamilie chinesischen Ursprungs kennen. Ihre Neugier war geweckt und sie beschloss, später eine Zeit lang in China zu studieren. 


Melina Weber am Nationalfeiertag auf dem Platz des himmlischen Friedens: „Viele Touristen aus anderen Landesteilen kommen sonst nur selten mit Ausländern in Kontakt. Da kommt man schnell ins Gespräch.“ (Foto: Privat)

Einige Jahre später, nach einem Auslandssemester in Qingdao und einer Rucksacktour durch China, wuchs ihre Begeisterung nur noch mehr: „Ich habe mich so richtig in das Land verliebt, weil es kulturell einfach so wahnsinnig interessant ist. Und es ist so groß, dass man immer wieder etwas Neues entdeckt.“ Jede große chinesische Stadt sei ein Melting Pot aus ganz vielen Leuten, die aus verschiedenen Städten ihre Speisen und Traditionen mitgebracht hätten. „So eine kulturelle Vielfalt findet man wohl nur schwer anderswo, weil viele Länder einfach nicht so groß sind und auch nicht so eine große Bevölkerung haben.“


Videodreh in Suzhou: „Wir hatten die Gelegenheit, eine Seidenstickerei zu besichtigen. Suzhou gilt als eine der bekanntesten Städte für diese Kunstform. Die Frau zeigte uns eine Stickerei des berühmten Gemäldes Golden Pheasant and Cotton Rose Flowers des chinesischen Kaisers Huizong, das sie mit Seide auf Stoff übertrug.“ (Foto: Privat)

Auf meine Frage, ob sie in der ersten Zeit einen Kulturschock erlebt habe, schüttelt Weber den Kopf, sagt dann aber: „Manchmal würde ich Dinge schon gern direkter gesagt bekommen und nicht durch die Blume, weil ich dann leichter weiß, ob eine Kooperation, ein Austausch oder ein Treffen stattfinden kann.“ Auch nach Jahren sei es für sie immer noch schwierig, herauszufinden, ob die Leute einfach nur freundlich seien oder wirklich Interesse an Zusammenarbeit oder Freundschaft hätten.

„Was Deutsche von Chinesen lernen können, ist, dass man nicht so schnell urteilt“, erzählt sie. Chinesen seien gelassener und regten sich nicht so schnell auf. „Hier zeigt man auch nicht auf andere Leute mit dem Finger und sagt: das und das ist nicht gut.“ Das mache man in Deutschland zu viel. „Wir sollten die Leute einfach so leben lassen, wie es ihnen gefällt, wenn es einen nicht wirklich persönlich betrifft.“

Umgekehrt könnten junge Chinesen von Europäern lernen, schneller unabhängig zu sein und für sich selbst zu sorgen, „wie zum Beispiel selbst kochen, aufräumen und putzen“. Auch Zeitmanagement und Selbstorganisation seien wichtig. „Ich habe das Gefühl, dass die jüngere Generation in China damit ein bisschen Probleme hat.“ Jugendliche stünden in der Schule allerdings unter großem Leistungsdruck, erklärt Weber. „Deshalb nehmen Eltern ihnen viele Alltagspflichten ab, damit sie sich ganz aufs Lernen konzentrieren können.“ Und während des Studiums wohnten viele auf dem Campus und äßen täglich günstig und gut in der Mensa. „Alltägliche Aufgaben wie Kochen spielen daher lange keine Rolle für junge Menschen.“

Melina Weber beklagt, dass China zu negativ in deutschen Medien dargestellt werde. „Auch die positiven Seiten des Landes sollten gezeigt werden, da dann viele Leute Lust bekämen, hier Urlaub zu machen“, findet sie. „Die Deutschen können nun ja sogar visumfrei herkommen.“ Man solle nicht so vorverurteilend sein. „Einfach mal selber anschauen“, rät sie. Jeder Mensch sollte sich besser über China informieren, da es die wichtigste Wirtschaft in der Zukunft sein werde.

All ihre Aufenthalte zusammengenommen habe sie bislang etwa fünf Jahre in China gelebt, erklärt die in Beijing lebende Deutsche, die in China International Business Management und zwei Jahre Chinesisch in Vollzeit studiert hat. Als Unternehmerin mit eigener Firma müsse sie inzwischen jedes Problem selbst lösen. „Und man muss dazu sagen, dass einfach alles in China auf Chinesisch abläuft. Das bedeutet natürlich eine riesige Sprachbarriere, die selbst nach mehreren Jahren nicht leicht zu überwinden ist“, betont Weber, die auf Social-Media-Plattformen mehr als 800.000 Follower hat und ihren Videos nach zu urteilen sehr gut Chinesisch spricht.

„Ich finde es sehr wichtig, Chinesisch zu lernen und die Sprache wirklich gut zu verstehen, weil sie viele feine Nuancen hat und sich stark von Deutsch und Englisch unterscheidet.“ Sie sei auch heute manchmal noch unzufrieden mit ihren eigenen Lernfortschritten. „Was es so anspruchsvoll macht, ist, dass man wahrscheinlich wirklich über viele Jahre hinweg dranbleiben und täglich mit Menschen in China sprechen muss, um irgendwann ein richtig hohes Niveau zu erreichen.“

Curt Bergström – Gründer der Bildungsberatungsfirma Sino Matters

Aus Neugier kam der Schwede Curt Bergström 2006 nach Beijing. Der lernbegeisterte Maschinenbauingenieur und MBA, der Schwedisch, Englisch, Deutsch, Französisch, Portugiesisch und Chinesisch spricht sowie eine Hubschrauberpilotenlizenz besitzt, tat sich mit dem Chinesischlernen zunächst unerwartet schwer. „Meine Lehrer unterrichteten zu sehr nach Lehrbuch und Pinyin, was mich nicht viel weiterbrachte“, erinnert sich Bergström.

Er habe eine natürlichere, vor allem effektivere Lernmethode für Ausländer gesucht, aber keine gefunden. Deshalb habe er 2007 das Bildungsberatungsunternehmen Sino Matters gegründet, das sich auf ausländische Führungskräfte spezialisiert habe und gesprochenes Mandarin mit einer eigenen Methode lehre. „Wir bieten neben einem schnellen Spracherwerb auch umfangreichen Service wie zum Beispiel Hilfe bei Reden“, sagt der ehemalige Intel-Topmanager, der inzwischen auch ein Büro in Shanghai hat.


Sprachliebhaber Curt Bergström in Beijing: „Auch 2025 wird China einer der größten und wichtigsten Märkte der Welt sein.“ (Foto: Privat)

„Wir wissen alle, dass man ein Land und dessen Bewohner besser kennenlernen kann, wenn man die Sprache spricht. Das gilt besonders für China“, findet Bergström. „Im Geschäftsbereich ist es hier eindeutig so, dass sich Chinesen wohler mit Ausländern fühlen, die Chinesisch können, und mit diesen leichter Verträge abschließen.“

Der mit einer Chinesin verheiratete Bergström, der viele Jahre in München lebte, hält die chinesisch-europäischen Beziehungen für sehr bedeutsam. „Auch 2025 wird China einer der größten und wichtigsten Märkte der Welt sein“, sagt er. „Gerade für europäische Unternehmen, die sich im eigenen Wirtschaftsraum mit sich verschlechternden Bedingungen konfrontiert sehen, ist China überlebenswichtig.“

Wegen der anhaltenden Begeisterung für China und Chinesisch habe er gerade weitere Mitarbeiter einstellen müssen. Curt Bergström ist sich aufgrund der eigenen Erfahrungen sehr sicher: „Egal, was einige Medien oder Politiker aus dem EU-Raum über China auch sagen mögen, die Wirtschaft und die Menschen werden sich immer mehr für China entscheiden.“

Lucas Wimmer – Student an Beijings Universität für Außenwirtschaft und Handel

Der Österreicher Lucas Wimmer, der bereits über einen Bachelor in Pharmazie verfügt, studiert seit 2023 International Business an der Universität für Außenwirtschaft und Handel (University of International Business and Economics, UIBE) in Beijing.


Kochkurs an der Universität: Lucas Wimmer (rechts) hat die kulturelle und kulinarische Vielfalt in China überrascht. (Foto: Privat)

Wimmer ist schon als Achtjähriger das erste Mal mit seinen Eltern in China gewesen. „Von 2015 bis 2018 habe ich dann das erste Mal mit meinen Eltern in Beijing gelebt und die Deutsche Botschaftsschule besucht.“

Durch Corona hätten sie dann erst verspätet wieder nach China zurückkehren können, erzählt der 24-Jährige, der an der UIBE die österreichischen Studierenden in der Studentenschaft vertritt. „Die kulturelle und kulinarische Vielfalt in China hat mich schon überrascht“, sagt Wimmer, der als mit Asien gut vertrauter Halbkoreaner nie Anpassungsschwierigkeiten gehabt habe.

„Aufgrund meiner Herkunft bin ich von beiden Seiten das Alphabet gewöhnt. Das Lernen der chinesischen Zeichen fiel mir deshalb schwer“, erzählt der Österreicher. „Mit dem Sprechen hatte ich aber gar keine Probleme.“ Chinesischkenntnisse hält er für sehr wichtig, denn: „Abhängig vom Alter und der Region können Einheimische teilweise gar kein Englisch.“

Lucas Wimmer schätzt die chinesische Verwaltung, die „extrem schnell“ sei. Und auch vom chinesischen Fleiß könnten sich Europäer eine Scheibe abschneiden. „Von uns können die Chinesen eine bessere Work-Life-Balance lernen“, sagt er und lacht.

*Nils Bergemann ist studierter Journalist mit langer Erfahrung als Redakteur und Kommunikationsexperte bei Verlagen und anderen Unternehmen. Zuletzt arbeitete er fünf Jahre für die China Media Group. Weiterhin in Beijing lebend unterrichtet er seit 2023 Deutsch, Sprachwissenschaften und Wirtschaft an der University of International Business and Economics.

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