Markus Hill: „Die Zusammenarbeit mit China und anderen Ländern außerhalb der EU wird enger werden“

Markus Hill ist ein renommierter Finanzmarktexperte und Asset Management Consultant. Er setzt sich mit viel Herzblut für den „Finanzplatz Frankfurt“ ein, der auch in seine Informationsplattform fondsboutiquen.de (bzw. fondsboutiques.com) eingebunden ist. Er vernetzt Frankfurt mit anderen Finanzstandorten in Europa und weltweit und plädiert für eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit auch mit China.

Die Finanzindustrie wird immer grüner. Was ist der tatsächliche Stellenwert nachhaltiger Investments und wo kommt dieser „Trend“ her, oder anders gesagt, ist es Hype oder nachhaltige Entwicklung?

Die Finanzindustrie wird nicht immer grüner, doch es setzt sich die Erkenntnis durch, dass die finanzierten CO2-Emissionen ein Vielfaches der operativen CO2-Emissionen darstellen. Es wird noch zu viel in einen emissionsreichen Kapitalstock investiert. Der Klimawandel ist kein „Trend“, der heute kommt und morgen wieder verschwindet. Die nachhaltige, klimaneutrale und digitale Transformation führt zu einem hohen Investitions- und Kapitalbedarf. Die EU-Kommission sieht den Finanzsektor als Schlüssel für die Transformation der Realwirtschaft und deren Finanzierung.

Trotzdem sieht man auch in der Finanzindustrie immer wieder Fälle von sogenanntem Greenwashing. Ist das eine Bedrohung bzw. wie kann man damit umgehen?

Greenwashing wird zunehmend schwieriger. Hier greifen die verpflichtenden Regelwerke und Berichtsstandards wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die EU-Taxonomie und die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR). Es gilt jedoch, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten, Augenmaß ist gefragt. Durch regulatorische Vorgaben soll die Gefahr des Greenwashing eingedämmt werden, dies ist natürlich begrüßenswert. Einerseits ist Greenwashing durch klare Rahmenbedingungen zu vermeiden, andererseits sollte man es nicht übertreiben mit einer zu kleinteiligen Regulierung.

In welchen Bereichen der grünen Finanzierung werden die Instrumente bevorzugt eingesetzt, und warum genau dort?

Ein Schwerpunkt ist die Reduktion von CO2-Emissionen in den Lieferketten. Hier ist der größte Hebel und eine vergleichbare Datenerhebung zu den Treibhausgasen überhaupt möglich. CO2-Emissionen, die von Finanzinstituten finanziert werden, übersteigen die direkten operativen Emissionen um ein Mehrfaches, der Multiplikator ist hier enorm. Die CO2-Bilanzierung von Unternehmens-, Immobilien- und Projektfinanzierungen hat einen entscheidenden Einfluss auf die Nachhaltigkeit von Investitionen.


Bekannte Installation: Das Euro-Symbol im Frankfurter Bankenviertel

Es gibt ja auch die Investorenseite. Wie sieht es bei Alternative Investments, Immobilien und dem Thema ESG und Impact Investing aus?

Früher wurde oft spöttisch gefragt: Wollen Sie Rendite oder wollen Sie Nachhaltigkeit bei den Investments? Natürlich ist diese Frage auch heute in ihrer „Schärfe“ nicht völlig aus der Welt zu räumen. Am Schluss werden die Investoren auf der institutionellen Seite auch an ihren Ergebnissen gemessen. Regulierung wird hier oft als Kostenverursacher gesehen, meist wird der Weg des geringsten Widerstandes gegangen. Zum Beispiel werden Rüstung und Kernenergie heute wieder völlig anders diskutiert als vor einigen Jahren. Tenor, Impression, Gefühl: Eine im Laufe der Zeit sehr zähe Diskussion, zeitweise war und ist die Finanzindustrie scheinbar bezüglich der Themen ESG und Impact Investing „übersättigt“. Mittlerweile ist der anfängliche Marketing-Hype verschwunden, die Diskussion wird weniger ideologisch geführt. Man vergisst oft: Auch in der Finanzindustrie arbeiten Menschen mit Kindern, keine Roboter ohne Nachkommenschaft. Mir ist auch nicht bekannt, dass es grundsätzlich viele Gegner von Artenvielfalt bzw. Biodiversität gibt. Beispielsweise wurde bei einer Studie am Finanzplatz Frankfurt („Alternative Investments, Immobilien & ESG“) im vergangenen Jahr festgestellt, dass sich die institutionellen Investoren intensiv mit dem Thema beschäftigen.

Im Umfeld grüner Finanzprodukte hört man immer wieder den Begriff „Impact Investing“. Was ist darunter zu verstehen?

Allgemeinplatz ist natürlich: Die deutsche Wirtschaft braucht mehr Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum, Innovation und Investitionen. Deshalb ist es sinnvoll, Instrumente für nachhaltige Innovationen und Investitionen einzusetzen. Zum Beispiel in innovative junge Unternehmen, die nachhaltige Technologien in den Markt bringen und die sich auch an den sogenannten SDGs (Optimierung) orientieren können. „Impact Investing“ ist ein derzeit populärer Begriff für Investitionen, bei denen neben der Rendite auch die Nachhaltigkeit im Vordergrund steht, mit dem Fokus, auch selber hier beim Prozess mit einwirken zu können, Entscheidungen zu beeinflussen. Eigentlich ist der Ansatz nicht neu, denn schon früher wurde zwischen strategischen und rein renditeorientierten Investments unterschieden. Aber auch hier lässt sich natürlich sagen, dass die Begriffe häufig nicht besonders trennscharf sind. Was genau ist hier unter direkter Einflussnahme zu verstehen? Gerade das Thema Impact Investing wird zwar von Journalisten gerne diskutiert, im Investitionsbereich spielt aber die Perfomancemessung, Präzisierung bezüglich dieser Effekte eine entscheidende Rolle. Es muss sehr genau von Philanthropie abgegrenzt werden.


 Grüne Ideen fürs neue Jahrtausend: Dieser CO2-neutrale Park liegt im Stadtteil Pingdi des Shenzhener Bezirks Longgang in der Provinz Guangdong. (Foto: 14. Juli 2023)

Sie stehen besonders für das Interesse am Finanzplatz Frankfurt als ein internationaler Hub für Knowhow und Netzwerke. Was macht die Stärke des Standorts aus?

Frankfurt wird manchmal als „Grüne Lunge“ im Segment Finanzindustrie bezeichnet, bezugnehmend auf die damalige Grüne Charta der Stadt. Selbstbild und Fremdbild können hier natürlich abweichen. Nicht zu leugnen, aufgrund der Finanzierungsfunktion der Branche (Multiplikatoreffekt) wurde hier einiges getan. Es gibt ein exzellentes Ökosystem hinsichtlich Regulierungsbehörden, Dienstleistern, Start-ups, institutionellen und semi-institutionellen Investoren. Man ist inmitten Europas, die Verkehrsinfrastruktur ist exzellent.

Wie sieht es im Umweltbereich mit einer engeren Zusammenarbeit der Finanzmärkte mit China aus?

Viele umweltrelevante Investitionsgüter werden in Deutschland von dort importiert. Die Zusammenarbeit mit China und anderen Ländern außerhalb der EU wird enger werden, weil sich international auch die Regulierungen (Reporting-Standards) angleichen. Wenn Investoren in grüne Technologien investieren sollen, sind Reportings über die Maßnahmen und erzielten Verbesserungen unerlässlich. China arbeitet derzeit an einem eigenen Standard zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen. Der Standard ist kein Gegenentwurf zu bisherigen Regelwerken, sondern orientiert sich unter anderem an der europäischen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Das chinesische Finanzministerium will einen Klimastandard bis 2027 einführen, der bis 2030 zu einer vollständigen, für alle Unternehmen im Land geltenden Leitlinie erweitert werden soll.

Das lässt sich doch sicher noch ausbauen?

Der Finanzplatz Frankfurt am Main als zentraler Hub für den Markteintritt nach Deutschland bietet sich gerade aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik förmlich an. Frankfurt stellt eines der entscheidenden Centers of Competence in dieser Struktur dar. Universitäten, Veranstaltungen, Industrie und Dienstleister – aufgrund dieser Assets wirkt Frankfurt als Accelerator für viele Ausländer, die schnell und erfolgreich in Deutschland tätig sein wollen. Wir sind ein „Sustainability-Cluster“ in Zentraleuropa, von hier aus kann man sehr gut erfolgreich in den Markt eintreten. Wirtschaft ist Völkerverständigung, natürlich will man hier auch eine engere Zusammenarbeit mit China, durch eine ökonomische Brille betrachtet, losgelöst von Tagespolitik.


Frühlingsblüten am Frankfurter Mainufer am 14. März 2024

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